Ihr Freund hat Larissa ermordet. Sie wurde 21 Jahre alt. Ihre Schwester Katrin Biber spricht heute offen darüber, wie sie mit der Tat umgegangen ist - und sie kritisiert die Berichterstattung der Medien.
CN: Wir sprechen über Mord an Katrins Schwester
"So brutal wurde die schöne Larissa ermordet." So titelt eine Zeitung einen Bericht über den Mord an Katrin Bibers Schwester. Mit grausamen Details wird beschrieben, wie die “attraktive junge Frau” Larissa getötet wurde.
Nach dem Mord an ihrer Schwester bricht Katrins Welt zusammen. Wegen respektloser und voyeuristischer Medienberichten konnte sie nicht einmal in Ruhe trauern. Im Interview sie die Berichterstattung, bei der Sensationsgier im Vordergrund steht und die größeren Zusammenhänge von Gewalt an Frauen zu kurz kommen.
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Musik
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Wir alle kennen die Schlagzeilen: Die nächste Bluttat, Familiendrama, der Streit eskaliert. Hinter diesen Umschreibungen steckt oft ein Mann, der eine Frau getötet hat. Die Partnerin, die Ehefrau. Wenn es um Gewalt an Frauen geht, stehen auch Medien immer wieder im Fokus. Die Frage, wie wir respektvoll und angemessen berichten können. Viel zu oft steht Sensationsgier im Vordergrund.
Jingle
In dieser Folge widmen wir uns der Rolle der Medien. Dafür spricht Katrin Biber über den Mord an ihrer Schwester Larissa und über die unheimlich belastende Berichterstattung, die darauf folgte. Teilweise sprechen wir auch explizit über Gewalttaten.
Mein Name ist Lisa Wölfl. Du hörst die fünfte Folge von MOMENT: "Man tötet nicht aus Liebe."
Jingle Ende
Katrin Biber: ist Autorin und Unternehmerin. Sie beschäftigt sich in der Arbeit viel mit Trauer. Das hat mit ihrer Schwester Larissa zu tun, die Katrin 2013 verloren hat.
Ich würde vorschlagen, dass wir einfach mal ein bisschen über deine Schwester sprechen und dich einfach bitten, ein bisschen was über Larissa zu erzählen. Was war sie für ein Mensch? Was hast du vielleicht auch für Erinnerungen an sie, die dir besonders am Herzen liegen und die du gerne teilen würdest?
Katrin Biber: Ja, voll gerne. Am. Wo fangen ich da am besten an? Larissa ist 21 Jahre alt geworden, also mit 21 ist sie dann gestorben und sie war. Ich find eine von den lebenslustigsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Ich habe ja noch zwei Schwestern und sie sagen genau das gleiche. Also sie war wirklich der Mensch, der heimkommt von der Arbeit und noch immer super gelaunt war. Jeden Tag fast. Also ich war selber mal erstaunt, wie geht es? Und auch immer hochmotiviert, noch etwas zu unternehmen, wo andere sich auf die Couch fallen lassen und einfach nur fertig sind und nur sudern oder raunzen, wie man bei euch sagt in Wien. Ja, was sie oft auch immer ein Mensch, der motiviert war, etwas zu unternehmen und den Tag nur zu genießen.
Katrin Biber: Sie hat da immer rumgeschrien "Carpe diem, carpe diem", Latein hat sie gern mögen so wie auch, ich habe ja auch Latein studiert eine Zeit lang. Und ja, sie hat das Leben vollstens geliebt und war auch extrem sozialer Mensch. Also die hat wirklich jeden an die Hand genommen und sagt Hey, ich bin für die da, hilft dir, ich hör dir zu, egal was für Einschränkungen woher die Menschen kommen sind.
Katrin Biber: Sie war immer offen, jedem gegenüber und extrem hilfsbereit. Also ja, ich hab sie in vielerlei Hinsicht oft bewundert und zu ihr aufgeschaut, obwohl sie ja viel jünger war als ich. Uns trennen sechs Jahre und trotzdem war sie für mich echt Vorbild in vielerlei Hinsicht. Und wenn du jetzt Erinnerungen ansprichst, konkret vor allem natürlich der Sommer, bevor sie gestorben ist, sicher im September gestorben, aber der Sommer davor ist mir echt brutal stark in Erinnerung geblieben, weil mir haben da schon konkrete Pläne gehabt, dass wir gemeinsam nach Wien gehen, wenn ich mit meinem Studium fertig bin, wenn sie mit der Lehre und alles fertig macht hat.
Katrin Biber: Da waren wir so intensiv am Planen schon und von uns so oft troffen. Und ich hab ja an Kreuzbandriss, ich hab in der Zeit eben im Sommer davor nicht wirklich viel gearbeitet oder irgendwas machen können, sag ich mal so und deswegen haben wir halt sehr viel Zeit miteinander verbracht und da waren so viele intensive Gespräche, aber auch so viele lustige Momente dabei. Ja, wo ich gar nicht was, wo ich anfangen würde. Es war einfach jeder Tag schön mit ihr.
Man kann jetzt als Außenstehende sich vielleicht denken Okay, ich spreche dich jetzt lieber nicht darauf an, weil das muss ja total schmerzhaft sein, auch über Larissa zu sprechen. Und du sagst aber dann doch, du willst ja, dass auch ihre Geschichte quasi und sie als Mensch und ihre Erinnerung am Leben bleibt, wenn ich das richtig verstehe.
Katrin Biber: Genau, ich find's viel, viel wichtiger, dass man nach ihr fragt, weil ich hab eben ja auch schon viele Interviews geführt, aber auch ganz viele andere Menschen natürlich auch auf der Straße getroffen, die dann natürlich wissen von dem Mord zum Beispiel. Und es waren hauptsächlich eigentlich immer diese Fragen nach dem Mörder, wie er ausgeschaut hat, was für Frisur, was hat er für einen Job hat, wie alt war er? Und so weiter und so fort.
Katrin Biber: Aber niemand hat irgendwie mal nach meiner Schwester gefragt, wer sie eigentlich war. Und das hat mir viel mehr verletzt, muss sie sagen, als wie der Schmerz, der dann da war, wenn ich über meine Schwester geredet gehabt. Also das war einfach, wie soll ich sagen, ein Schmerz voller Liebe, das ist was ganz anderes als wie der Schmerz, der mit Wut verbunden ist und mit Hass. Ja, und deswegen bin ich ganz dankbar und glücklich, wenn dann doch immer wieder Interviewpartnerinnen da sitzen, die nach ihr fragen. Und ich teil das ganz gern. Und die wird es auch immer jedem raten, generell zu Trauernden hinzugehen und nach diesem Menschen zu fragen. Weil das hat da etwas Heilsames, auch wenn es natürlich wehtut. Aber das ist ja okay und darf ja sein.
Katrin hat ein Buch über ihre Schwester geschrieben. Es heißt "Larissas Vermächtnis". Darin schreibt sie, was passiert ist und wie sie selbst damit umgegangen ist. Ihr Ziel war es, damit auch für ihre Schwester zu schreiben.
Katrin Biber: Und ich hoffe, es ist es gelungen, eben weil ich einfach wollt, dass die Liebe zu ihr über alles dann steht am Ende und nicht eben der Mörder, die Wut. Und so weiter.
Könntest du vielleicht ganz kurz für die Leute, die das nicht wissen, damals nicht mitgekriegt haben sagen, was passiert ist?
Katrin Biber: Im September 2013, also davor waren ja schon Kreuzbandriss. Ich habe nicht arbeiten können, ich habe eine Thrombose gehabt, wieder eine andere Geschichte. Im September 2013 hab ich dann eine Party veranstaltet um eben meine Thrombose Freiheit sagen wir mal zu feiern. Ich war endlich Thrombose frei und wieder gesund in der Hinsicht und haben gesagt wir müssen da Party veranstalten, das Leben, die Gesundheit feiern. Und Larissa war da ebenfalls natürlich dabei mit ihrem Freund, den hab ich an dem Abend das erste Mal kennengelernt.
Katrin Biber: Es waren viele andere Freunde noch da, wir haben eine House Party veranstaltet und ja und das war super ausgelassener, lustiger, toller Abend und zum Schluss raus sind wir dann noch in einen Pub gegangen, gemeinsam. Und da haben sie dann kurz gestritten, also ihr Partner und sie. Und er war leicht eifersüchtig wegen einem Freund von mir. Und dann hat sie gesagt, sie geht mit ihm heim und sie wird darüber normal reden. Sie wird sich dann melden. Ich und sie werden am nächsten Tag nochmal drüber sprechen und am nächsten Tag war es aber so, dass er sich dann gemeldet hat bei mir und gesagt hat, ob ich wüsste, wo Larissa sei. Sie hätte die Wohnung verlassen und sei nicht mehr zurückkommen in die Wohnung, hat gesagt, sie wäre zu mir direkt gegangen. Ja, und dann war für mich ja sofort klar, da muss etwas passiert sein, das kann er nicht sein.
Katrin Biber: Wir sind uns so nah gestanden. Wenn sie die Wohnung verlassen hätte, dann hätte sie sich definitiv gemeldet. Außer eben es ist etwas passiert und dann waren circa zwei Wochen eben Suche nach ihr halt über die Medien, haben uns Hilfe geholt, Radio, Sender etc. wo ganz viele Gruppen haben sich zusammengefunden. Haben da wirklich auch ja so Suchtrupps veranstaltet und das ist dann echt Tag und Nacht so gangen, dass wir nach ihr gesucht haben.
Katrin Biber: Und er war dabei eben hat mit uns gesucht gemeinsam und zwei Wochen später ist dann eben ja rauskommen. Also durch ein Fehler von seiner Seite. Gott sei Dank, dass er sie eben in besagter Nacht nach der Party eben erwürgt hat und anschließend dann noch im Inn ich sag immer entsorgt hat ihren Körper und um das halt dort zu vertuschen natürlich und durch einen Pannendienst den er gerufen hat, wo er eben ihren Körper zum Inn runterbringen hat müssen, ist das ganze halt aufgeflogen, weil da sind die Nummern in seinem Handy aufgetaucht und ja so sind sie dann draufkommen. Und da haben wir dann eben erfahren, was wirklich passiert ist. Ja und dann ist das Ganze losgegangen, das Überleben reines Überleben erstmal und eben diese Zeit bis zur Verhandlung, die dann erst im Juni 2014 stattgefunden hat, auf den Tag genau neun Monate später.
Die ersten Wochen hatte Katrin noch Hoffnung. Als dann rauskommt, dass ihr damaliger Freund Larissa getötet hat, bricht alles zusammen. Katrin ist in einer Schockstarre. Eigentlich braucht sie jetzt Ruhe, um die Sache verarbeiten zu können, aber sie wird ständig mit dem Mord an ihrer Schwester konfrontiert.
Katrin Biber: Man sitzt da rum und weint ja praktisch 24 Stunden. Die ersten paar Monate zumindest hat man das überhaupt noch nicht Kontrolle dieses ja diesen Tränenfluss zu steuern. Und dann kämpft man da also an manchen Tagen hab ich echt zwei, drei Stunden gebraucht, bis ich es irgendwie geschafft hab, dass ich endlich rausgehen kann. Endlich mal in Richtung Uni oder so. Ich hab ja noch studiert zu dem Zeitpunkt oder auf die Arbeit und dann schafft man das und ich hab wirklich versucht jegliche Medien in die Richtung zu meiden. Also nicht selber jetzt hin zum laufen, die nächste Zeitung raus zum Zupfen und zum Schauen. Ich hab echt versucht nichts zum Lesen, aber durch die Medien wie Facebook zum Beispiel war ja da auch schon etwas größer und hat ja auch einiges gepostet, also kommt man ja fast nicht drumherum. Und dann ist es eben durch das, dass es so viel Aufmerksamkeit gegeben hat und ich sehr bekannt war durch die Facebook Suche von meiner Seite aus am haben mich Leute halt erkannt auf der Straße, sind herkommen zu mir und haben gesagt: Mah, gestern in der Zeitung, ich habs gelesen. Meine Schwester ist ja nicht nur erwürgt worden, sondern eben anschließend ja erstickt worden mit eben Bodylotion in den Hals und dann vom Socken. Und so weiter. Und da haben eben die Zeitungen wirklich jedes dieser Details immer wieder als Aufhänger für neuen Artikel halt genommen. Neues zum Fall Larissa ist immer so dagestanden. Ja nicht nur erwürgt, sondern eben Bodylotion.
Was Katrin erzählt, klingt für mich wie die Checkliste aller Dinge, die Medien eben genau nicht machen sollen in einem Fall. Sensationsgeile Berichten jedes einzelnen, auch intimen, Details des Mords. Ich muss mich da auch nicht auf mein Gefühl verlassen, weil zur Berichterstattung gibt es Leitfäden und Studien.
Es gibt eine Studie aus dem Jahr 2020 von Media Affairs. Die Agentur hat die Berichterstattung zu Gewalt an Frauen analysiert und die häufigsten Fehler präsentiert. Einer davon ist, aus Gewalt einen Krimi zu machen. Das heißt eben auch: Versuchen zu analysieren, wie dieser normale Typ zu einem brutalen Mörder werden konnte. Jedes Detail der Tat als neue Erkenntnis verkaufen. Das ist voyeuristisch und für Angehörige nur schwer zu ertragen, wie Katrin beschreibt.
Katrin Biber: Und wie gesagt, die Leute haben mich direkt drauf angesprochen. Ich hätte es gar nicht selber gelesen, ich hab vieles nicht gewusst. Und dann so mitten auf der Straße erfahren müssen und habe aber eh schon drei Stunden davor kämpfen müssen, dass ich überhaupt auf die Straße rausgehen kann. Und es fühlt sich an, ganz ehrlich wieder genau wie an dem Tag, wo ich halt die Nachricht übermittelt kriegt hab und du bist dann sofort zurückkatapultiert. Alles schnürt sich zu. Mir ist schon sehr oft kotzübel in dem Moment geworden, also haben echt oft mit dem Erbrechen kämpfen müssen bzw daheim mich oft übergeben müssen. Und ja, da finden die Opfer die Medien haben da Verantwortung und ja, sie sind teilweise verantwortlich dafür. Und ich hab einfach überhaupt nicht diesen Sinn verstanden, warum eben die ganze Zeit so detailgenau in jedem neuen Artikel berichtet werden hat müssen. Also so hab ich das irgendwie mitkriegt, aber natürlich auch zum Beispiel bei der Beerdigung war ja ein Reporter, hat sich irgendwo hinter irgendeinem anderen Grabstein versteckt und hat mich halt fotografiert beim Sarg direkt und irgendwann, ich weiß gar nicht mehr, in was für eine Zeitung das war. Das war noch ziemlich am Anfang, da haben wir noch selber einiges gelesen und dann haben die halt mein Bild, richtig groß entdeckt.
Katrin Biber: Und natürlich, man hat keine Kraft mit dem Anwalt vorzugehen oder sogar oder anzuklagen oder so also ich war froh das überhaupt jeden Tag irgendwie überlebt haben und dann hab ich einfach keine Kraft für so was gehabt. Aber es sind noch andere Interviews ganz ehrlich entstanden. Zum Beispiel von meiner Mama ist scheinbar in irgendeiner Zeitung ein Interview drin gewesen, das sie gar nie gegeben hat, also wo es sich irgendwie was zamzupft haben, da ist meine Mama echt ausgerastet an dem Tag, das weiß ich noch. Also solche Sachen sind halt immer wieder passiert. Die ganze Mediengeschichte hat das natürlich nicht viel besser gemacht, sag ich mal, und nicht leichter, um diesen Weg zu gehen.
Ich habe vorhin schon die Studie erwähnt zur Berichterstattung über Gewalt an Frauen. Ein häufiger Fehler ist, dass Medien über Einzelfälle berichten, aber nicht über die Größeren Zusammenhänge. In Larissas Fall war das genauso.
Katrin Biber: Ich hab mir damals gedacht, das ist Zufall und Pech und keine ahnung so, Einzelfall eben. Also so richtig realisiert hab ichs dann wirklich erst zirka 2-2,5 Jahre später, weil ich ja selber ein Jahr später eine Beziehung gehabt hab, einen Mann kennengelernt dann, der ja selber gewalttätig war. Ich war ja dann selber in einer Gewaltbeziehung. Es war ja ziemlich übel. Er hat zum Beispiel so Sachen vorgelogen wie, dass er einen Bruder gehabt hätte, der auch gestorben ist. Mit dem hat er mich natürlich sofort gekriegt, also auf dieser Ebene. Er hat gewusst, dass meine Schwester verstorben war. Und ja, dieses, wir verstehen uns, zwei Trauernde, die Geschwister verloren haben. Und so weiter. Und sobald ich aber, ich bin ja dann nach Wien zogen und hab bei ihm gewohnt. Gott sei Dank nur zwei, drei Monate. Aber sobald das passiert war, war ich praktisch wie in einem goldenen Käfig. Also er hat halt alles vorgeschrieben in die Richtung, wie ich essen tu, was ich esse, wann ich Zähneputzen gehe usw. Also ich war komplette Marionette und es ist immer schlimmer geworden in der Hinsicht, wenn ich nicht das gemacht hab, also nicht gehorcht hab, dann hat er auch angefangen mir zu drohen in die Richtung: Sonst passiert dir was, was deiner Schwester passiert ist usw und ich sperre dich im Keller ein und so weiter. Also so in die Richtung und ich war ja so stark traumatisiert noch zu dem Zeitpunkt. Ich habe eine brutale Angst generell ja schon vor Männer gehabt. Das hab ich heute noch teilweise und wenn du weißt, dein Schwester ist so gestorben und wenn ich jetzt nicht wirklich genau so tue was er sagt, dann wirds mir gleich gehen.
Katrin Biber: Also diese Angst, weil immer viele von außen sagen Ja, dann mach doch sofort Schluss und geh. In dem Moment, wenn jemand dich so nieder brüllt, dir Sachen nach schmeißt, die rum zerrt oder so, dann tust du nicht die Hand wegnehmen und sagen Hey, jetzt geh, das ist mir zu viel oder so, vor allem nicht, wenn da so was passiert ist oder deiner Schwester so was passiert ist. Ich hab die ganze Zeit nur den Gedanken gehabt, funktioniere jetzt so wie er will, sonst bist du tot. Das war mein einziger Gedanke die ganze Zeit und dann bin ich eben geflohen, praktisch über Nacht zu Freunden, die unabhängig zu ihm waren und bin da dann unterkommen. Bin dann zur Polizei gegangen, Therapeutin war eben an meiner Seite. Und so weiter. Also das ist dann in die Gänge gekommen und es war dann Thema, ob wir Anzeige erstatten, so aber ich war am Ende. Ich habe kaum noch stehen können zu dem Zeitpunkt. Also das war richtig, das war eine von meine tiefsten Zeiten und da hab ich einfach gar keine Kraft mehr gehabt. Nochmal eine Verhandlung noch mal so was ich wollte einfach nie wieder den Menschen sehen, ich wollt weg. Und da eben ist mir das dann alles so bewusst worden. Krass, das ist etwas, was scheinbar öfter passiert, weil ich hab dann mit anderen mit viele andere anfangen, drüber reden und so und immer wieder ist halt gekommen, ich hab auch schon so einen Freund gehabt, ich auch und so weiter. also immer wieder sind mir so viele Frauen begegnet dann, ich bin ein offener Mensch, ich erzähl dann auch offen drüber.
Katrin Biber: Und durch diese Offenheit kommen ja auch Menschen auf dich zu und erzählen auch von ihren Erfahrungen. Und dann hab ich angefangen zu recherchieren und dann eben gesehen, wie viele Femizide es gibt und wie viel Gewalt an Frauen. Ich hab dann natürlich auch viel mit Frauenhäuser Kontakt aufgenommen, mit diesen Stellen, wo man sich hinwenden kann, mit denen geredet und da hab ich praktisch, dass eben ja ist mir so bewusst geworden und hab dann natürlich auch ganz anders den Mord an meiner Schwester betrachtet. Ich hab dann gemerkt: Ja krass, er war ja auch ein Mann, der eben gesagt hat oder wo es aus seinem Frauenhass heraus passiert ist. Er hat gesagt, es hätte jede Frau sein können. Er hat Frauen einfach gehasst. Und er wollte sie besitzen. Und weil er sie nicht besitzen hat können oder nicht sicher war, dass sie wirklich nur ihm gehört, ja hat sie dafür sterben müssen. Und ich hab mir gedacht, das kann es nicht sein, da muss was passieren. Es darf nicht nochmal eine Larissa geben, es kann so nicht weitergehen. Da hat es dann noch angefangen, dass ich mich halt mehr dafür einsetze, dass ich darüber schreib, dass ich offen darüber rede.
Wie machst du das heute, wenn du die Schlagzeile siehst? Oder wenn du eben auf der Website von der Zeitung bist und liest 6. Femizid des Jahres das und das ist passiert. Also vermeidest du komplett das zu lesen oder klickst du dann schon noch drauf?
Katrin Biber: Na also eh, lies regelmäßig genau jetzt in die Richtung, weil ich auch viel in der Arbeit jetzt zu tun haben damit. Wo jetzt schwanger war, muss ich ehrlich sagen, hab ich viel gemieden, weil es mir eben selber oft nicht gut gegangen ist und so, also das mache ich schon, dass sie jetzt nicht da wieder selber reinhau und dann geht es mir mega schlecht oder so, das mache ich nur, wenn es mir wirklich gut geht, dann lies ich auch solche Dinge und wie geht es mir damit? Also ich sitz da und das erste was ich natürlich denke, wenn ich das sagen darf: Scheiße, was müssen die jetzt als Angehörige wieder für einen Weg gehen? Also ich denke dann sofort an die Angehörigen halt rundherum.
Katrin Biber: Und dann denke ich mal wieder so, es kann doch nicht sein, dass ich einfach, dass es keine Besserung gibt, dass das sich nichts ändert, dass wieder so ein Fall aufkommt. Und gerade die meisten der Fälle sind ja jetzt nicht wie bei meiner Schwester, da war es ja, die haben sich noch nicht so lang gekannt. Viele der Fälle sind ja eben mit Vorgeschichten verbunden. Also da frage ich mich echt so, das kann's doch nicht sein, dass man es net hinkriegt, dass die Frau nicht am Ende stirbt. Das gibts doch einfach nicht. Also das ärgert mich halt dann natürlich wieder brutal. Und wie gesagt, ich versuch da trotzdem dann immer Grenze zu ziehen und zu sagen okay, nicht zu viel reinsteigern, weil das tut mir ja so nicht gut eben. Also da muss ich natürlich auch mal vorsichtig sein, aber ja, es macht natürlich was mit mir.
Der Verein der autonomen Frauenhäuser Österreichs und der Presserat haben einen Leitfaden erstellt, wie Medien richtig berichten. Ein paar Punkte daraus:
Auch wenn immer noch viel zu tun ist, hat sich die Berichterstattung doch deutlich verbessert. Ich sehe das selbst, wie viel öfter auf die größeren Zusammenhänge hingewiesen wird. Was früher ein privater tragischer Einzelfall war, wird heute von vielen Medien als Femizid benannt. Katrin sieht das ähnlich.
Katrin Biber: Wenn man zum Beispiel die Berichte hernehmen damals wird Larissa 2013 gestorben ist, hat es unter dem Zeitungsbericht kaum irgendwas als Hinweis geben, falls du selber von Gewalt betroffen bist usw. Mittlerweile ist es ja eigentlich relativ häufig der Fall in bestimmten Medien, die ich konsumiere. Da ist immer wieder unten der große Hinweis daraufhin eben, wo man sich hinwenden kann, egal ob Mann oder Frau, also ob man jetzt als Täter sag ich mal Hilfe braucht oder Frau als Opfer in der Hinsicht. Ja, das finde ich schon mal Verbesserung. Und natürlich auch die sozialen Medien sind ja viel mehr, viel intensiver. Es gibt so viele Kanäle jetzt, die sich mit dem Thema beschäftigen, die da aufklären, die was posten drüber und viel mehr Menschen, die offener damit umgehen. Also berühmtere Menschen, durch diese ganze #metoo Debatte. Und so weiter, dass da schon einiges in Gang kommen ist. Wir Frauen, sagen wir mal, nicht mehr nur den Mund halten, sondern auch mal offen drüber sprechen.
Jingle
Das war die fünfte und vorerst letzte Folge von MOMENT: Man tötet nicht aus Liebe.
Worüber sollen wir in der nächsten Staffel berichten? Welche Themen sollen wir beleuchten? Haben wir etwas Wichtiges zum Thema Gewalt an Frauen übersehen, dass wir noch dringend recherchieren sollten?
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Ich bin Lisa Wölfl, den Podcast habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Max Eberle produziert. Das hätten wir nie ohne unser Team bei MOMENT.at geschafft. Ein großes Danke an Tom Schaffer, Eda Öztürk, Lukas Rapf, Bettina Mühleder, Sebastian Panny und Lukas Bayer.
In Kooperation mit Radio Orange.
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Jingle Ende